Der junge Goedeschal - Roman by Hans Fallada

Der junge Goedeschal - Roman by Hans Fallada

Autor:Hans Fallada [Fallada, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2012-11-06T23:00:00+00:00


42

Aufgekraust von der Winterluft überliefen flache Wellen den Teich seiner Langweile. Schon war es, als müsse er, schlank emporlohend, über die erleuchteten Fenster oben den Schein einer so innig gewollten Reinheit werfen, leugnen das lässige Zurücklehnen in Schweigen, da er für die neue Güte zeugte, die nun sein Blut sang. Die kleinen albernen Gebärden des Nachmittags wehten nur, kindische Flatterfahnen, um die Peripherie seines Seins, in dessen Zentrum geballt, unangreifbar und tatsüchtig, ein sehnender Wille hockte.

»Ich kehre um. Wieder die Treppe. Der Vorplatz. Auf dem alten Stuhl. Die Gardinen zurückwerfend, werde ich die von Leben angeglosten Scheiben weisen, meine Tatscheu zu tilgen.«

Er zauderte. Schon umfing Kälte ihn. Der Lichtschein der Laternen übertanzte einen Schatten, näher kommend, winterlich verhüllt.

»Ah!«

Im Schnee knirschten beider Absätze.

Aber sie wandten sich nicht. Ihre Augen tranken sich ein. So verharrten sie, gegenüber, wenige Schritte getrennt, reglos, bis der aufglühende Blick verfiel.

Kai drehte die Achsel, sein Fuß setzte an, schon wandte er sich, und gleich würden sie, zwei Rücken, augenlos, voneinandergehen, die Straße hinab, hierhin, dorthin, getrennte Wege, geschiedene Willen, gespaltene Freundschaft – (»Bäume«, dachte Kai, »unter Bäumen ruhen«) –, da verhielt er.

Den Blick über die polstrige Schneekruste horchte er der Stimme, die nun, leise, ihm kam: »Du, Kai …«

»Ja, Werner …?«

Still blieb’s. Ein Windzug schüttelte Schilder, irgendwo schrie es: Kinder oder derart.

Nebeneinander … sein Arm tastete, schlang sich in Werners. Sie gingen. Schweigend.

Kein Mensch. Der beruhigte Schein jener Fenster überstand mondgleich das Bleiche aus Fleisch ihres Gesichts; er ging unter. Einer tieferen Dunkelheit zu, prägten sie dem verlöschenden Schnee ihre Spuren, Schuh um Schuh.

Gingen sie nicht wahrhaft in eine Nacht ein, wattegepolstert, in das Lautlose schmarotzender Gespenster, deren blutsüchtige Hände den Strick tanzen machten, an dem jener Kleinen Glieder automatenhaft regten? Blieb nicht hinten das Ersehnte, Sonne oder, wenn nicht Sonne, doch die kleine rauchgeringelte Helle eines Wohnzimmers mit den Gliederrührungen von Frauen, unbegreiflichen Wesen, die, berstend gefüllt, immer irgendwie und -wo Weisheit tropfen ließen und ein Streicheln der Hand?

»Nein. So kauert kein zuckflügliger Falter in dem rinnenden Sand eines Ackerwagengeleises, bebend, sonnenbestrahlt, wie sich der Blick einer Langgehaarten vom Stickkissen hebt und auf die Wange setzt oder deine Hand und ruht und verflattert vor Einfang.«

Klotzsch räusperte, Kai hob den Arm: still.

Und sie gingen weiter, weißer bestäubt, und Kai war es, als verirre er sich mehr und mehr in dem Gespinst einer Nacht, das seine Hände bewob und über sein Auge Fäden hing. Drüben, über den Dächern, in der Schlucht eines Hofes schlug man wohl große Trommeln, um ein Feuer kauernd. Wieder schrie ein Kind.

Kai bebte auf, murmelte: »Flucht!«

Klotzsch, im Flüstern sich neigend: »Kai?«

Aber Kai war fort. Sein Fuß trieb durch Heide, in der Sonne summte es, Kieferngekuschel dehnte sich endlos.

»Hier, hingestreckt liegen, versinken in das Rieseln des Sands und nicht mehr ersehnen als einen Vogelschrei aus dem Blau und die Süße im Warmwerden und die Müdigkeit von Ausruhen. Tiefensee! Wunschlose Sommerwochen.«

Ja, drüben blaute es auf, über dem dürrgrasbewachsenen Hang mit den Pechnelken dehnte der See. Eine Kiefer starrte spitz. Vielleicht schlug die Dorfuhr, aber die Stunde war gleich.



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